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nach Mailand
 Nach 
der Eröffnung des Saumweges über den St. Gotthard im Jahre 1225 setzte 
ein massiver trans-alpiner Handelsverkehr ein. Viel erträglicher als der 
mühsame Getreideanbau waren bei den sich zusehends einspielenden Handelsmöglichkeiten 
für die Landwirtschaft, die Viehzucht und die Milchwirtschaft. Die Erträge 
der Innerschweizer wurden nun in die Städte des Mittellandes, aber auch in 
immer grösserem Umfang über den Gotthard nach Italien exportiert. Getreide, 
Korn, und das für die Konservierung der Fleischprodukte unentbehrliche Salz 
importiert.Die Walchwiler Bauern waren seit 1562 in der Genossenschaft der 
Sännen ab dem Walchylerbärg zusammengeschlossen. Noch am 16. September 
1635 erneuerten sie die Statuten und regelten darin den allgemeinen Weidegang 
auf der Allmend. Während Jahrhunderten trieben sie zusammen mit den Bauern 
der anderen Talschaften ihr Vieh in kleinen Herden auf die Märkte von Mailand. 
Hin- und Rückweg dauerten oft bis in den Winter hinein. Für die wackeren 
Viehtreiber war der lange Fussmarsch eine sehr abenteuerliche Reise. Wohl mancher 
müde Hirte wurde auf dem Heimweg am Gotthardpass mit abgelaufenem Schuhwerk 
von Schnee und Eis überrascht. Oftmals hatten sie sich auch gegen Wegelagerer 
und anderes Gesindel zu behaupten, die es auf den Erlös aus dem Viehverkauf 
abgesehen hatten, den man bei sich trug.
 Im 
Wald oberhalb Wassen soll ein kräftiger verruchter Geselle gewohnt haben. 
Seine Hütte befand sich abseits des Weges über einem tiefen Abgrund. 
Er lud die Vorbeireisenden für ein Entgelt zum Uebernachten ein, und versuchte, 
sie im Schlafe zu bestehlen. Er scheute sich nicht davor, seine Opfer zu töten 
um nicht verraten zu werden. Viele kannten das Treiben des Mannes und warnten 
vor ihm. Aber die Obrigkeit konnte keine Beweise gegen ihn vorbringen, und so 
trieb er sein Unwesen weiter wann immer sich ihm Gelegenheit dazu bot.
 Ein 
hochgewachsener bärenstarker Zuger, es soll ein Walchwiler gewesen sein, 
und ein Muotathaler wussten auch von dieser dunklen Gestalt. Sie nahmen sich vor, 
dem Mann das schaurige Handwerk zu legen. Auf der Heimreise von Mailand übernachteten 
sie in Göschenen und machten sich anderntags gegen Abend wohl ausgeruht auf 
den Weg. Das Viehgeld hatten sie sich in den Lendengürtel eingenäht 
und trugen einen mit Kiesel gefüllten prallen Lederbeutel mit sich. Sie liessen 
sich vom Mann im Wassenerwald zum Uebernachten überreden und gesellten sich 
zu einem weiteren Reisenden. Nach Einbruch der Dunkelheit begaben sie sich aufs 
Heu, und schon bald schlief der müde Reisende den Schlaf des Gerechten. Während 
der Muotathaler sich ebenfalls zum Schein hinlegte, versteckte sich der Walchwiler 
im Gebälk des Dachstockes. In der Nacht setzte ein heftiger Regen ein und 
der Wind fegte kalt durch die Ritzen und Spalten der alten Hütte. Der aufgewachte 
Fremde verkroch sich tiefer in seinen schäbigen Mantel und schlief weiter. 
Da wurde gegen Mitternacht der Deckel über der Heuleiter langsam zurückgeschoben 
und im flackernden Schein der Laterne suchte die unheimliche Gestalt des Gastgebers 
das Lager des Fremden auf. Vorsichtig begann er, dessen Manteltaschen nach Geld 
zu durchsuchen. Doch da schreckte der Fremde hoch. Unerschrocken gab der Gastgeber 
dem Unglücklichen mit seinem Messer zu verstehen, dass er ihm ausgeliefert 
sei, wenn die beiden Anderen aufweckte. In diesem Moment stürzten sich die 
beiden Viehtreiber auf den Unhold und überwältigten ihn. Die brennende 
Laterne entzündete das Heu und steckte die Hütte in Brand. Sie brannte 
vollständig nieder. Unter einem nahen schützenden Felsen verbrachten 
alle Vier den Rest der Nacht. Der Reisende bedankte sich am Morgen nochmals bei 
seinen Rettern und machte sich auf die Weiterreise über den Gotthard; er 
war ein Pilger auf dem Weg nach Rom. Die beiden unerschrockenen Hirten machten 
sich mit dem Bösewicht auf nach Altdorf und übergaben ihn der Obrigkeit, 
die ihn für seine Schandtaten hart bestrafte und dem Henker übergab.
 
 
   
     
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